Alle Wetter – und viel zu heiß

„Gedanken- und Gebetsteppiche“ auf der Landesgartenschau in Lahr – Vier Projektwochen sind vorbei – Fünf Teppiche hängen nun an den Wänden der Hirtenhütte

Es waren wechselvolle Tage, die ich im Rahmen des Aktionskunst-Projekts „Weben in der Hirtenhütte“ der evangelischen Landeskirche auf der Landesgartenschau verbracht habe. Nach angenehmer Wärme im April setzten in der zweiten Woche im Mai starke Regenfälle das Gelände – und auch Teile der Holzhütte – unter Wasser. Mitte Juni war dann die „Regensaison“ definitiv beendet. Es folgten warme und immer wärmere Tage, bis schließlich in der vierten Woche die Sonne das Blechdach der Hirtenhütte zum Grill werden ließ. Wer sich länger im Andachts- und Aktionsraum aufhielt, kam mit rauchendem Kopf wieder raus. Und auch auf dem Innenhof schrumpfte der Schatten zu einem schmalen Streifen, die Hitze ließ Menschen und Schafe nach Luft – kühlerer Luft – lechzen.

letzter und erster teppich

Hinten rechts hängt einer der ersten Teppiche, vorn der letzte

36 Grad im Schatten sind für Aktivitäten im Freien einfach zu viel. Zumindest für die Menschen, die sich üblicherweise auf den Gartenschauen umsehen: Reisegruppen von Rentnern, Großeltern mit Enkeln, junge Eltern mit ihren Kindern. So blieb Anfang August der – von den Organisatoren erwartete – Besucheransturm aus. Und auch in der Hirtenhütte hatten Haupt- und Ehrenamtliche (und ich) viel Zeit, um sich über alles Mögliche zu unterhalten. Zu tun gab es für mich schon in der dritten Woche im Juni wenig, im August wagten sich dann nur noch vereinzelt Neugierige über die schattenlosen Wege des „Seeparks“ bis zum Webrahmen. Deren Hirne schienen verbrannt, denn den meisten fiel „nix ein“ was sie auf einen der bereitgelegten Stoffstreifen schreiben könnten (wer den ständig sprudelnden Nachrichtenfluss auf WhatsApp und Twitter kennt, wundert sich, aber dort werden ja auch ganz andere Gedanken ausgetauscht).
Trotz der Wetterwidrigkeiten und der dadurch spärlichen Besucherzahlen sind in den vier Aktionswochen fünf gedankenvolle Wandteppiche entstanden: zwei in der ersten, zwei in den beiden folgenden und ein kurzer in der vierten Woche. Alle Teppiche sind unterschiedlich, obwohl sich die Materialauswahl weitgehend beschränkte auf Streifen aus weißer Baumwolle und naturfarbenem Nessel, beschrieben mit schwarzer und blauer Farbe sowie weiße, graue und braune Wolle, zu Fäden gesponnen oder einfach nur ein wenig gedreht. Da zeigt sich, wie stark der Text und der Art, wie die einzelnen Menschen geschrieben haben, die optische Wirkung beeinflussen.
Und es kamen tatsächlich sehr, sehr unterschiedliche Stoffstreifen in die gespannten Stofffäden. So unterschiedlich, wie die Menschen, die sich an dem Projekt beteiligt haben. Da war die junge Mutter, die gemeinsam mit ihren Kindern einen langen Streifen beschrieb und bemalte. Da waren die drei befreundeten Paare, die sich ihre Zuneigung zuschrieben, eine Gruppe, die nicht nur schrieb, sondern auch mit Kreisen, Punkten und Strichen designte, das Brautpaar, das sich gemeinsames Glück wünschte, der Kurde, der – auf kurdisch – für eine gute Zukunft für die Kurden bat, der Großvater, der für seinen Enke auf ein schönes Leben hoffte oder der Mann, der sich über den Zustand der Welt Gedanken machte. Und noch so viele mehr.
Wie ich sind sie gespannt, was am Ende der Landesgartenschau mit den Teppichen passieren wird. Momentan hängen sie unterm Hüttendach und im Innenhof. Aber was passiert später? Werden sie verteilt? Werden sie irgendwo in einer Kirche oder einem Gemeindesaal hängen. Die Entscheidung liegt bei den Verantwortlichen für das Projekt „Hirtenhütte“. Die haben noch bis zum Ende der Landesgartenschau genug zu tun. Vor allem dann, wenn die Tage wieder angenehmer werden und die Menschen wieder Neugierde verspüren, das weitläufige Gelände zu erkunden: und die Hirtenhütte finden.