Wie Farbe wirkt (Teil 1)

gewebe zum hingucken

Farbexperimente im Winter 2020/21


Ein Hinweis vorweg: Die Farben, die auf den jeweiligen Displays zu sehen sind, treffen nur selten die tatsächlichen Farben: Jeder Bildschirm zeigt etwas anderes. Die Realität sieht manchmal spannender aus.
Farbe wirkt
Wie Farbe wirkt, dazu gibt es viel zu schreiben und sicher noch viel zu erforschen. Dass und wie sie auf mein Laune und Arbeitslust wirkt, testete ich erst 2020/21 in den Monaten des zweiten Lock- und Shutdowns. Denn im Frühjahr und Frühsommer 2020 ging nichts und meine Laune steil nach unten: vor lauter „Downs“ und auch wegen des staatlich verordneten Verbots, mit meiner Arbeit Geld zu verdienen. Wozu noch entwerfen, wozu die Entwürfe umsetzen, wozu schreiben, wenn es doch niemand sehen, lesen, fühlen und vielleicht sogar kaufen kann? Wie so viele freie Kunst- und Kulturschaffende habe ich mich das in den Monaten des Wegschließens der Kreativen gefragt: und meine Arbeit eingestellt.
Mit dem Herbst-„Lockdown-Light“ zog ich die persönliche Notbremse und habe gegen die Verzweiflung gearbeitet: verordnete mir Farbkombinations-Experimente mit starken Farben, hellen und dunklen Farben, mit harmonischen, mit kontrastreichen und mit ungewöhnlichen Farbkombinationen. Und tatsächlich: Jeder Blick auf die knallblaue-knallgrüne Kette, auf die Kette in Frühlingsfarben oder die rot-roten Ketten, jeder Blick auf das Gewebte, das sich mit der Wahl der Schussfarbe verändert, hat Freude bereitet und die Laune gehoben. Eine tolle Farb-Medizin.
Farbenspiele
Wie Farben zusammenspielen in wechselnden Kombinationen und unterschiedlichen (Bindungs-)Mustern, das Thema treibt mich schon eine ganze Weile um. Monochrome Streifen in vielfarbigen Flächen, starke Hell-Dunkel-Kontraste im Wechsel mit einer weiteren Farbe, Farbkombinationen in der Kette, die (angeblich) nicht zusammenpassen, Materialwechsel, die Farbe anders erscheinen lassen oder auch Farben, die auf den ersten Blick scheußlich wirken (Schweinchenrosa zum Beispiel – ist für mich zu einer Lieblingsfarbe in Farbmischungen geworden): Es gibt viel zu entdecken. Vor allem, wenn die Schzwei mal loopingussfarben und –garne etwas ganz andersfarbiges entstehen lassen.
Wobei das Risiko immer mitspielt, dass die Farbwahl und –gestaltung misslingt, ich also am Ende etwas vom Webstuhl nehme, was am besten sofort überfärbt werden sollte. Aber das musste ich glücklicherweise noch nie.

Die Farben für den Winter: Grün und Blau, Rot und Pink
Aber jetzt konkret zum ersten Teil der Farbexperimente, die mich in den letzten Monaten angetrieben und aufgemuntert haben.
Grün und Blau, immer acht Fäden im Wechsel bzw. (in einer zweiten Kette) mit freien Wechseln und Uniflächen: Nichts Außergewöhnliches, nur dass die Lambswool-Garne aus Schottland echt knallig eingefärbt sind. Also genau passend für graue und dunkle Herbst- und Wintertage.eine neue kette
Die Ergebnisse überraschen (vor allem Laien), auch weil ich zwischendrin zwei Mal ein anderes Bindungsmuster gewählt habe. In jedem Fall ziehen die so unterschiedlichen Gewebe Blicke an, setzen Akzente. Und wer die Schals und Kragen anfassen kann, möchte sich gleich damit einwickeln, vor allem, wenn’s draußen grau und kalt ist. Dummerweise kam 2020/21 der schier endlose Winter-Frühjahrs-Lockdown dazwischen, so dass das Anschauen und Einwickeln noch warten musste.
Mit dem Wollgarn habe ich trotzdem weitergearbeitet. „Die Motten wollen ja auch von etwas leben“, meinte eine Kollegin. Und außerdem kommen kalte und grau-nasse Tage immer wieder; nicht nur im Winter.
Diesmal habe ich die Farben Rot und Pink kombiniert und zwei je 40 Zentimeter breite unifarbene Flächen nebeneinander gelegt. Sie werden nur von einem schmalen Streifen in der jeweils anderen Farbe unterbrochen. Für eines der beiden Gewebe habe ich die Kettfarben als Schussgarn gewählt plus zwei weitere Farben und damit breite Rechtecke entstehen lassen. Hier liegen unifarbene Flächen neben rot-pink melierten und darüber bzw. darunter Flächen, in den sich die Kettfarben mit einer dritten Farbe mischen (ganz spannend, wie unterschiedlich Rot und Pink darauf reagieren). Beim zweiten Stück spielen die Kettfarben im Schuss nur eine untergeordnete Rolle. Sie trennen mit wenigen Schüssen die Farbwechsel, die neue Farbflächen entstehen lassen.
Die beiden Gewebe wirken sehr unterschiedlich: Das eine „schreit laut“ mit seinem Pink und Rot, das andere ist dezenter. Aber bei beiden standen Farbflächengemälde Pate – die man in diesem Fall um sich legen oder als Textilbild an die Wand hängen kann. Momentan, also im Sommer 2021, ist das Einwickeln eine ziemlich gute Option.