Eine Geschichte von Rot und Blau oder …

… Tuchmacher sind mehr als „nur“ Weber
Das Tuchmacher Museum in Bramsche

Tuchmacher: Das war ein florierendes Handwerk in Deutschland. Ende des 16. Jahrhunderts. Aber schon nach dem 30jährigen Krieg hatten es die rührigen Textilhandwerker schwer. Wer sich behaupten wollte, musste etwas Besonderes liefern: besonderes Tuch, besondere Farben. Die Tuchmachergilde in Bramsche hat sich deshalb spezialisiert. Ihr einfaches Wolltuch war schon früh von besonderer Qualität. Und fand seine Käufer. Bis wieder eine Krise kam.

Da half ein grandioser Schönfärber und ein Zinnkessel im extra für ihn gebauten Färberhaus den Tuchmachern aus der Patsche. Seine Rezeptur für ein leuchtendes Rot öffnete Türen und sorgte für einen langjährigen und vor allem zuverlässigen Großabnehmer: das Militär.
„Durchgehende rothe tuchene Röcke“ trugen die Soldaten der preußischen Armee im 18. Jahrhundert. Der Stoff kam aus Bramsche und machte den Namen des kleinen Orts bei Osnabrück weithin bekannt. Das „Bramscher Rot“ brachte Geld und Arbeit. Bis die Tuchmacher wieder einmal ihre Flexibilität unter Beweis stellen mussten. Preußisch Blau war ab 1837 für die Soldaten die führende Farbe. Die Tuchmacher konnten liefern, in der geforderten Qualität. Das Militär blieb Großkunde und blieb es − mit weiteren Farbwechseln − bis zum Massensterben der Textilbetriebe in Deutschland, in den 1960er Jahren.
Bis heute steht der Name „Bramscher Rot“ wie ein Logo für die rote Farbe der früheren Uniform-Jacken. Vor allem aber steht er für die Arbeit der ehemaligen Tuchmacher am Ort. Er steht auch für ihre Findigkeit. Sie half immer wieder, eine ausweglos scheinende wirtschaftliche Lage zu wenden, sogar der Industrialisierung zu trotzen. Nur dem Aufkommen von neuen „Billiglohn-Ländern“ konnten sie nichts entgegen setzen. Die Textilindustrie suchte sich schon immer die günstigsten Produktionsstätten, mit geringen Lohnkosten und niedrigen Umweltstandards.
Im heutigen Tuchmacher Museum Bramsche wird die lange Geschichte des Handwerks in einer der ehemaligen Textilregionen Deutschlands wieder lebendig, genauso wie die Arbeit der Tuchmacher. Schnell wird bei einem Besuch klar, wie aufwändig das Fertigen von wollenen Tuchen war und, dass die Weberei nur ein keiner Teil des Tuchmachens darstellt. Wenn auch ein ganz wichtiger. Von der nur grob gereinigten Rohwolle bis zum fertig gebügelten Stoffballen sind es viele kleinere und größere Schritte. Das Werkzeug und die später eingesetzten Maschinen stehen alle im Museum. Und sie funktionieren. Und es gibt Menschen, die sie bedienen und erklären können.
Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr, kling-kling-kling-kling-kling-kling, rtschh-rtschh-rtschh-rtschh: Der Lärm der Spinn- und Webmaschinen ist enorm. Noch beeindruckender sind die Vibrationen. Wenn die Maschinen laufen, schwingt das Gebäudeinnere im Takt, was besonders gut in den oberen Etagen zu spüren ist. Zum Glück steht das Museum auf dem soliden Fundament der ehemaligen Tuchfabrik. So kann man sich vom Rhythmus der Maschinen in eine Zeit versetzen lassen, in der Tuche „Made in Germany“ noch gang und gäbe waren. Ganz nach dem Museums-Motto: „Auf Tuchfühlung mit der Geschichte“.
Für so ein Erlebnis muss nicht unbedingt eine vorangemeldete Gruppe mit Führung durchs Museum laufen. Wenn es die Zeit der freien Mitarbeiter zulässt, werfen sie auch für einzelne, interessiert nachfragende Besucher die Maschinen an. Das freut vor allem diejenigen, die sich die Stauzeit auf der A1 mit einem Besuch im Museum vertreiben. Das wollen inzwischen deutlich mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren. Die beiden großen braunen Hinweisschilder auf dem Seitenstreifen der Autobahn zeigen Wirkung. Sehr zur Freude der Museumsmacher, deren tolle Arbeit so gewürdigt wird.