Zweimal 100

In der Neigungswoche webten Schülerinnen wie am Bauhaus
Nicht nur das Bauhaus ging 1919 mit seinen Ideen an den Start. Auch die Waldorfschulen feiern in diesem Jahr ihr Hundertjähriges. Das brachte mich auf die Idee, die beiden Schulen mit reformpädagogischem Konzept zusammen zu bringen. Und zwar während der diesjährigen Neigungswoche der Offenburger Freien Waldorfschule. Interessierte Schülerinnen und Schülern konnten sich da im Weben wie am Bauhaus üben. Die Webstühle und -rahmen in meinem Atelier waren vorbereitet, drei Schülerinnen meldeten sich an.
Keine der drei hatte sich vorher mit dem Thema und mit dem Weben näher beschäftigt. Und auf jede von ihnen wartete eine andere Aufgabe. Welche? Das entschied das Los. Ann-Kathrin zog den Flachwebstuhl mit vier Schäften und einem Bindungsmuster, das sich erst mit zwei Farben, im Wechsel geschossen, zu einem besonderen Stoffdesign entwickelte. Ein sich nur langsam entwickelndes Bindungsbild, dem sich die Schülerin mit Farbexperimenten näherte.
Das Los hatte Marie den breiten Webrahmen zugedacht. Die lose eingestellte Kette in dezenteren Farben ließ ihr viel Raum fürs experimentelle Weben. Und den Raum hat sie in den Stunden am Webrahmen voll genutzt und ein sehr freies Textilbild entwickelt.
Judith saß am Musterwebstuhl, der mit acht Schäften für ein Doppelgewebe vorbereitet war. Vier Schussrapporte aus zwei Gruppen sollte sie sich auswählen: und damit und mit Farben spielen. Auch da dauerte es eine Weile, bis der Wechsel von Ober- und Unterkette, Kettpartien- und Schusswaren-Wechsel die Faszination des Doppelgewebes sichtbar machte. Die Farbwahl tat ein Übriges – und ich überlege mir, wie ich solch eine Doppelgewebe-Kette auf einem großen Webstuhl gestaltend umsetze.